Die Veranstalter des Hundem-Lenne-Cups 2016 hatten es sich zum Ziel gesetzt, die Wohltätigkeitsinitiative „DU MUSST KÄMPFEN“ von Jonathan „Johnny“ Heimes zu unterstützen.
Mit der Fa. Mees wurde ein Sponsor gefunden, so dass durch ihre Spende jedem Teilnehmer ein Motivationsbändchen überreicht werden konnte. Diese Aktion kam bei den Aktiven so gut an, dass spontan von einigen Spielern weiteres Geld gespendet wurde. Auf diesem Wege kamen der Organisation insgesamt 620,- € zu Gute.
Martin Heimes, Johnnys Vater, bedankte sich postwendend für das Engagement der verantwortlichen Organisatoren.
Auszüge aus dem Bericht der FAZ vom 09.03.2016:
Johnny, der Kämpfer
Jonathan Heimes hätte ein Spitzensportler werden können. Dann kam der Krebs, dem er zwölf Jahre widerstand und dabei zum Vorbild wurde – auch für die Darmstädter Fußballprofis. Jetzt ist er im Alter von 26 Jahren gestorben.
Es ist ein Albtraum. Und ein Märchen. Es ist eine Geschichte von tiefstem Leid und größtem Mut. Eine Geschichte auch über die Kraft des Sports. Zwölf Jahre lang hat Jonathan „Johnny“ Heimes aus Darmstadt gegen den Krebs gekämpft. Mit zwölf war er Hessenmeister im Tennis gewesen, spielte auf internationalen Turnieren, trainierte beim TEC Darmstadt mit Andrea Petkovic.
Mit vierzehn kam der Krebs. Ein bösartiger Tumor im Kopf, später Metastasen in der Wirbelsäule. Acht Operationen, 26 Chemotherapien, drei Hochdosis-Chemoblöcke mit Stammzellenübertragung und 55 Bestrahlungen hat er durchgestanden mit eisernem Willen und einer unbeugsamen Liebe zum Leben. Am Dienstag ist dieser Kampf zu Ende gegangen. Jonathan wurde 26 Jahre alt, und ein ganzer Fußball-Bundesligaverein trauert.
Am Mittwochmittag trat in den Katakomben des Stadions am Böllenfalltor Mannschaftskapitän Aytac Sulu vor die Mikrofone, und es gab nur ein Thema: den Tod des krebskranken Jungen. „Es ist ein schwieriger Moment für den Verein, für die Spieler, für uns alle“, sagte Sulu. Am Samstag wird seine Mannschaft das Spiel gegen Augsburg mit Trauerflor bestreiten. „Jeder im Verein und in der Stadt weiß, dass wir nur mit Jonathans Hilfe aufgestiegen sind“, sagt Sulu.
„DUMUSSTKÄMPFEN! Es ist noch nichts verloren.“
Diese SMS hatte Jonathan Heimes im September 2010 von einem Freund bekommen, nach einer zweiten schweren Operation. Aus dieser SMS hat er später eine beispiellose Aktion entwickelt. Er ließ den Motivationsspruch auf Bändchen drucken und verkaufte sie zugunsten der Kinderkrebsstation der Frankfurter Uniklinik, auf der er selbst viele Monate lang lag. 350.000 Euro sind damit in den vergangenen drei Jahren zusammengekommen.
Im Mai 2015 gründete er zusätzlich die gemeinnützige „Dumusstkämpfen“-GmbH. Zehntausende Menschen tragen mittlerweile sein Bändchen, er hat Freundschaften mit Spitzensportlern geschlossen, hatte Fernsehauftritte bei Lanz & Co, es gibt ein halbes Dutzend, zum Teil preisgekrönte TV-Reportagen über sein Leben. Sportler schickten ihm Geschenke und gute Wünsche: Boris Becker, Steffi Graf, Jürgen Klopp, Arthur Abraham, Henry Maske, Thomas Tuchel, Joachim Löw, Roger Federer. In den sozialen Netzwerken ist er selbst zum Star geworden.
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Neben seiner eigenen Tenniskarriere waren es vor allem zwei Inspirationen, die seinen Kampfgeist prägten: das Champions-League-Finale 2005 zwischen dem AC Mailand und Liverpool, das er auf der Frankfurter Kinderkrebsstation im Fernsehen sah, während ihm die Chemo ins Blut tropfte. Liverpool lag zur Halbzeit 0:3 zurück – und gewann doch am Ende im Elfmeterschießen. Ein zweites Sportereignis, das er in seinem Buch „Comebacks“ beschreibt, ist der Boxkampf um die WM zwischen Arthur Abraham und Edison Miranda, in dem Abraham 2006 trotz eines doppelten Kieferbruches nicht aufgab – und gewann. „Man könnte sagen, das ist verrückt“, schreibt Jonathan. „Abraham hat seine Gesundheit riskiert, vielleicht sein Leben, aber mir hat er gezeigt, was man erreichen kann, wenn man nicht aufgibt in der vierten Runde.“
Jonathan wusste, dass er sterben würde, spätestens nachdem auch die äußerst schmerzhafte Stammzellenübertragung keine Besserung mehr brachte. Aber er hatte keine Angst vor dem Tod. Er hat viele Kinder von der Kinderkrebsstation sterben sehen. „So lange man kann“, sagte er, „muss man kämpfen und an das Leben glauben.“ Gestorben ist er am Dienstag Abend zu Hause, ruhig und ohne Schmerzen. Als sich seine engsten Freunde in dieser traurigen Nacht von ihm verabschiedeten, da trug er ein Lilien-Bändchen am Arm.
Der Artikel auf der Seite der FAZ.
Jonathan Heimes, genannt Johnny, ist vierzehn Jahre alt, als ihm die Ärzte in der Nacht zum 13. Juni 2004 in Frankfurt den Schädel aufbohren und während einer sechsstündigen Operation einen bösartigen Tumor, ein Medulloblastom, aus dem Kleinhirn entfernen. Als er nach zwei Wochen aus dem Koma erwacht, wiegt er bei einer Körpergröße von 1,70 Metern noch 43 Kilogramm, die Wunde am Hinterkopf ist mit Metallnadeln getackert, die Kopfschmerzen sind trotz des Morphiums, das sie ihm geben, kaum auszuhalten. Seine rechte Körperseite kann er nicht bewegen, keiner der Ärzte kann ihm sagen, wie viel der Tumor und die Operation in seinem Kleinhirn zerstört haben. Was sie sagen ist, dass sich das Gehirn nach solchen Störungen manchmal wieder an Dinge „erinnern“ könne, die es schon einmal gelernt habe. An was, an wie viel, könne man nicht sagen. Aber es lohne sich zu üben, zu lernen, zu trainieren. Wie beim Sport.
Zwei Jahre zuvor, mit zwölf, ist Jonathan Jugend-Hessenmeister im Tennis. Andrea Petkovic, drei Jahre älter als er, ist zur gleichen Zeit deutsche Jugendmeisterin. Zwei Tenniskinder vom TEC Darmstadt, trainiert von Zoran Petkovic, Andreas Vater. Die beiden sind die größten Talente, an die man sich im Verein erinnern kann. Andrea ist groß und stark, Jonathan klein und flink, geschickter als die anderen, seine motorischen Fähigkeiten sind überragend. Sie spielen im Hessenkader, auf internationalen Turnieren, dann trennen sich die Wege, vor Andrea liegt der Aufstieg in die Weltspitze, vor Jonathan eine lange Leidensgeschichte.
„Ich bin sehr glücklich mit dem, was ich erreicht habe“, sagt Andrea Petkovic, „aber was Johnny geleistet hat, wiegt um vieles mehr. Er hat viel, viel mehr erreicht als ich. Er war immer der Sportlichste, der Koordinativste von uns allen, und dann konnte er von einem Tag auf den anderen kaum noch gehen. Wie er sich durchgekämpft hat, wie er dem Krebs die Stirn geboten hat, mit seiner Willenskraft und seinem Durchhaltevermögen, das ist unglaublich.“ Auch Francesco Pianeta sieht das so. Wer ein Schicksal habe wie Jonathan, sagt er, leiste „eine Milliarde Mal mehr“ als jeder Sportler. Der Schwergewichtler aus Gelsenkirchen kann das beurteilen, er ist Profiboxer, erkrankte vor drei Jahren an Hodenkrebs und hatte zwei Chemos. Jonathan hat dreiundzwanzig bis jetzt.
Dreiundzwanzig Chemos, danach immer Kochsalzlösungen, acht Liter das letzte Mal, um das Gift, das MTX und Cisplatin, aus dem Körper zu spülen, das die Tumorzellen vernichten soll, aber den ganzen Körper angreift, die Nieren, die Schleimhäute, das Immunsystem. Gegen die Nebenwirkungen verabreichen die Ärzte Cortison, Antibiotika, Schilddrüsenmedikamente, dazu Dutzende Blutkonserven. Jonathan kann verstehen, wie sich ein Doper fühlt, wenn er frisches Blut bekommt.
Er nimmt sich Sportler zum Vorbild, Oliver Kahn und sein „immer weiter“, den Boxer Arthur Abraham, der einen WM-Kampf mit einem doppelten Kieferbruch gewinnt, den FC Liverpool, dessen Champions-League-Finale 2005 gegen den AC Mailand er auf der Frankfurter Kinderkrebsstation während seiner sechsten Chemo erlebt. Liverpool liegt zur Halbzeit 0:3 zurück, alles scheint verloren, aber die Engländer geben nicht auf, und tatsächlich, sie drehen das Spiel, holen den Titel. Nimm dir ein Beispiel an Liverpool! Das wird Johnnys Leitgedanke.
Prominente Sportler schicken ihm Trikots und gute Wünsche, Boris Becker, Steffi Graf, Jürgen Klopp, Arthur Abraham und viele Stars des Hamburger SV, seines Lieblingsklubs: Sergej Barbarez, Ruud van Nistelrooy, später auch Rafael van der Vaart, den er bei einem Spiel in Mainz trifft. Auf sein Zimmer zu Hause, in dem die Trophäen hängen, sei wohl so manches Sportmuseum neidisch, sagt er.
Jonathan schafft es. Nach Operation, Chemo und Bestrahlung kämpft er sich zurück ins Leben, in die Schule, zu seinen Freunden, auf den Tennisplatz, wo er nicht mehr um Titel spielen kann, aber Kindern beim TEC Darmstadt Unterricht gibt. Zoran Petkovic, sein alter Trainer und Freund, unterstützt ihn dabei.
Fünf Jahre sind vergangen seit der Operation. Keine Metastasen, kein Rückfall. Ein magisches Datum. Die Wahrscheinlichkeit, nach fünf Jahren wieder an Krebs zu erkranken, sagt man ihm, sei nicht höher als bei einem Gesunden, als bei einem, der nie Krebs hatte. Jonathan nimmt an einer Studie über ehemalige jugendliche Tumorpatienten teil, er hat es geschafft, hat wieder sprechen gelernt, essen, trinken, gehen, Tennis spielen, mit eisernem Willen, eisernem Trainingsfleiß. Johnny ist 19 Jahre alt. Er plant sein neues, zweites Leben.
Plötzlich fühlt er sich nicht gut. Ein Kribbeln in den Beinen. Irgendetwas stimmt nicht. Hausarzt. Neurologe. MRT vom Kopf, alles in Ordnung. MRT vom Rücken. Wir haben etwas gefunden, sagt der Arzt. Metastasen an der Wirbelsäule, nicht eine, sondern viele, überall. Der Arzt besorgt einen Termin in Frankfurt. OP schon am nächsten Morgen. Am Abend besuchen ihn noch einmal zwei Freunde. Ich schaffe das, sagt er ihnen, ich bin stark genug, macht euch keine Sorgen. Nur vor einem hat er Angst, dass er im Rollstuhl sitzt, querschnittgelähmt ist nach der OP. Alles, nur nicht das!
Sie operieren ihn vier Stunden, können aber nicht viel ausrichten, der Krebs streut über den ganzen Rücken. An zwei Stellen schleifen sie Teile der Rückenwirbelknochen ab, um den eingedrückten Nerven Platz zu schaffen und Zeit zu gewinnen für weitere Chemotherapien, sie sind die letzte Hoffnung. Bestrahlungen sind nicht mehr möglich. Als Jonathan nach der OP aufwacht, kann er die Beine noch spüren, doch am nächsten Tag ist alles weg. Querschnittlähmung. Die Nervenbahn ist unterbrochen. Am Abend liegt er im Krankenhausbett und liest eine SMS, die ihm ein Freund aufs Handy schickt:
4:6, 4:5, 15:40.
Zwei Matchbälle gegen dich.
DUMUSSTKÄMPFEN
Es ist noch nichts verloren.
Ist es nicht so, dass man die größten Siege aus scheinbar hoffnungsloser Position erringt? Im Sport und im Leben? Auf dem Tennisplatz und auf der Krebsstation? Jonathan schwört sich, weiter zu kämpfen. Zwischen den Chemos bringen sie ihn in die Unfallklinik auf die Querschnitt-Station. Rollstuhltraining lehnt er ab, er erklärt den verdutzten Ärzten und Pflegern, dass er wieder gehen werde in ein paar Monaten. Der Rollstuhltennis-Bundestrainer lädt ihn zum Vorspielen ein, er sagt ab und verabredet sich stattdessen in einem halben Jahr mit Zoran Petkovic auf dem Tennisplatz zum Bälleschlagen. Die Behandlung schlägt an. Er lässt sich auf das Laufband schnallen, trainiert zwischen den Chemoblöcken, so gut es geht. Er schafft es, an der Hand seines Vaters die ersten Schritte zu gehen. Er beginnt, nachts sein Leben aufzuschreiben. Ein Buch. „Comebacks“ soll es heißen. Als er das Buch kurz vor Weihnachten 2012 fertig hat und im überfüllten Clubhaus des TEC Darmstadt vorstellt, sitzt Andrea Petkovic neben ihm am Tisch und liest aus dem Vorwort, das sie für den Freund geschrieben hat. „Ich komme nicht umhin, Jonathan bedingungslos zu bewundern für seine Kraft, seinen Kampf und seinen Willen. Für mich ist er ein Vorbild und eine Inspiration.“ Dann bricht sie in Tränen aus. Jonathan kümmert sich um sie. „Er hat mich getröstet“, sagt sie. „ER hat MICH getröstet, ist das nicht verrückt?“
Jonathan hat zu dieser Zeit einundzwanzig Chemos hinter sich, einundzwanzig Mal hing er am Tropf, dazu achtzehn Temodal-Blocks, Mini-Chemos in Tablettenform. Das MRT zeigt keine Auffälligkeiten, die Metastasen im Rücken sind besiegt. Johnny beginnt sein drittes Leben.
Am 19. Februar 2013 wird Jonathan 23 Jahre alt. Eine paar Tage zuvor haben sie in Frankfurt wieder ein MRT gemacht. Rücken und Kopf. Und sie haben wieder etwas gefunden. Metastasen im Kopf. Sie sagen es ihm nicht, sie lassen ihm seinen Geburtstag, dann geht alles wieder von vorn los. Kinderkrebsstation, Chemos, MTX.
„Ich werde weitermachen. Ich habe zweimal um mein Leben gekämpft, was soll Schlimmeres kommen? Das ist die Endstufe, weiter geht es nicht, danach kommt nur noch der Tod.“
Der Tod ist keine ferne Bedrohung auf einer Kinderkrebsstation, er ist nah, jeden Tag, aber man darf ihn nicht zu ernst nehmen, darf sich nicht zu sehr fürchten, sich nicht klein machen vor ihm. Man muss an das Leben glauben.
An einem Samstag im Mai darf Jonathan nach seiner zweiundzwanzigsten Chemo und qualvollen drei Tagen von der Krebsstation zurück nach Hause, am Montag soll er an einer Studienprojektwoche des Darmstädter Psychologieprofessors Volker Beck teilnehmen, aber er muss absagen, es geht noch nicht. Beck, ein Spezialist auf dem Gebiet der Psycho-Onkologie, hat sich mit dem Jungen angefreundet, als er ihn Anfang des Jahres bei einer Konferenz in Wiesbaden kennenlernte. Jonathans Haltung zu seiner Erkrankung habe ihn vom ersten Augenblick an berührt und beeindruckt, sagt der Professor. „Er zeigt uns, wie wir dieser Krankheit ins Gesicht sehen und ihr standhalten können.“ Mit einer Kraft, die aus dem Sport und seinen Werten kommt. „Es ist ihm wichtig, dass er trotz seiner Krankheit der bleibt, der er ist“, sagt Beck. Der Krebs habe es nicht geschafft, sein Leben zu beherrschen und ihm die Lebensfreude zu nehmen. Das ist, was zählt.
An einem Sonntag im Mai ist Jonathan wieder in Frankfurt. Der Verein „Hilfe für krebskranke Kinder“ veranstaltet eine Lesung aus seinem Buch. Betroffene Kinder, Eltern und Verwandte lauschen einer harten, traurigen, aber auch mit Humor, Ironie und Optimismus gewürzten Geschichte. Anderthalb Stunden zwischen Lachen und Weinen. Es lohnt sich zu kämpfen, sagt Jonathan. Egal wie hart euch das Schicksal trifft, es geht immer nur nach vorn, nie zurück! Immer weiter! Aufgeben ist keine Option! Den Kindern bringt er Plastikarmbändchen mit, die er mit Andrea Petkovic produzieren ließ. Sie sind blau, die Farbe des HSV, des Klubs, für den sein Herz schlägt. Zwei Euro kosten sie, der Erlös geht an den Frankfurter Hilfsverein. Die ersten 800 Euro bringt er mit.
„DUMUSSTKÄMPFEN“ steht auf den Bändchen. „Es ist noch nichts verloren“ – Johnnys Botschaft, die Kampfkraft mit Hoffnung verbindet und eine Brücke schlägt: Krebskranke Kinder werden die Bändchen tragen, ihre Eltern, Freunde und Förderer, und auch Sportler werden dies tun, Andrea Petkovic vorneweg.
Johnnys Botschaft
Quelle: F.A.Z.-Sonntagszeitung vom 26. Mai 2013